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Studierende im FOKUS der neuen Studiengänge? Anspruch, Wirklichkeit und Nachsteuerungsbedarf.  
 
Studierende im FOKUS der neuen Studiengänge? Anspruch, Wirklichkeit und Nachsteuerungsbedarf.  
  
Schon der Titel dieses Workshops verrät, worum es gehen soll: Studierende im Fokus. Eine nette Umschreibung der im Bolognaprozess angestrebten Studierendenzentrierung, die etwas wichtiges verrät: Nicht stehen die Studierenden im Zentrum einer Reform, die an ihren Anforderungen ausgerichtet wird, sondern es wird auf sie fokussiert. Die Studierenden werden zu Objekten gemacht. Sie werden "betreut" wie minderjährige Schulkinder. In Heidelberg ist teilweise schon nicht einmal mehr die Rede von "Studierenden", sondern von "Hochschülern". An die Stelle der universitären Bildung tritt die Frage im Evaluationsfragebogen: "Denken sie, dass die im Studium vermittelten Inhalte einer guten AUSbildung entsprechen?" Es lassen sich zahlreiche Belege für diese These finden, von denen ich nur auf den angeprangerten Mangel an Wahlmöglichkeiten, das Bulimielernen, die überbordende Anwesenheitspflicht, ÜBERprüfungslast und Bürokratie verweisen möchte. Bedarf an Veränderung ist mit Sicherheit vorhanden. Keine Nachsteuerung wird nötig sein, sondern vielerorts eine völlige Neukonzeption. Jedoch wäre es müßig mit einer derart heterogenen Gruppe, wie wir sie hier versammelt finden, über dezidierte Maßnahmen in einzelnen Studiengängen zu diskutieren. Angehörige dreier Universitäten mit unterschiedlichsten fachlichen Hintergründen können in dieser Aufgabe nicht zusammenfinden.  
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Schon der Titel dieses Workshops verrät, worum es gehen soll: Studierende im Fokus. Eine nette Umschreibung der im Bolognaprozess angestrebten Studierendenzentrierung, die etwas wichtiges verrät: Nicht stehen die Studierenden im Zentrum einer Reform, die an ihren Anforderungen ausgerichtet wird, sondern sie werden passiv in den Fokus genommen. Die BIldungsoffensive nimmt die Studierenden ins Fadenkreuz. Die Studierenden werden zu Objekten gemacht. Sie werden "betreut" wie minderjährige Schulkinder. In Heidelberg ist teilweise schon nicht einmal mehr die Rede von "Studierenden", sondern von "Hochschülern". An die Stelle der universitären Bildung tritt die Frage im Evaluationsfragebogen: "Denken sie, dass die im Studium vermittelten Inhalte einer guten AUSbildung entsprechen?" Es lassen sich zahlreiche Belege für diese These finden, von denen ich nur auf den angeprangerten Mangel an Wahlmöglichkeiten, das Bulimielernen, die überbordende Anwesenheitspflicht, ÜBERprüfungslast und Bürokratie verweisen möchte. Bedarf an Veränderung ist mit Sicherheit vorhanden. Keine Nachsteuerung wird nötig sein, sondern vielerorts eine völlige Neukonzeption. Jedoch wäre es müßig mit einer derart heterogenen Gruppe, wie wir sie hier versammelt finden, über dezidierte Maßnahmen in einzelnen Studiengängen zu diskutieren. Angehörige dreier Universitäten mit unterschiedlichsten fachlichen Hintergründen können in dieser Aufgabe nicht zusammenfinden.  
  
 
Die Frage, die wir uns aber stellen wollen, stellen müssen, ist diese: Welche Voraussetzungen müssen in der Universität geschaffen werden, um die Möglichkeit zur Hochschulreform zu schaffen? Wenn wir es ernst meinen, dass eine Reform studierendenzentriert sein soll, muss sie vor allem eines: von den Studierenden ausgehen. Die Studierenden müssen die Zeit und die Möglichkeit haben, ihren Studiengang und den Lebensraum Hochschule selbst zu gestalten. Studierendenzentrierung ist untrennbar verknüpft mit der Subjektfähigkeit unserer Studierenden. Dazu gehört nicht nur die eigentliche Selbstverständlichkeit, dass Studierende in ihrem Studium genug Raum und Zeit haben, sich mit Dingen zu befassen, die nicht dem fokussierten Rahmencurriculum entsprechen, sondern vor allem, dass sie die Möglichkeit und Anknüpfungspunkte haben, sich zu engagieren, in ihrer Umwelt kreativ und gestalterisch tätig zu werden. Auf der anderen Seite besteht die Hochschule nicht nur aus Studierenden. Insbesondere der akademische Mittelbau, wie auch die im Vergleich recht kleine Gruppe der Professor_innen, als auch die Mitarbeiter_innen aus Administration und Technik tragen zur Studien- und Forschungswirklichkeit bei. Ausdruck findet diese Tatsache in einer verkrüppelten Form der Gruppenhochschule, in denen die vier Statusgruppen versuchen, ihre Interessen auszugleichen - leider unter absoluter Mehrheit der kleinsten Statusgruppe. Im Wechselspiel dieses Interessenaustausches - denn letztlich liegt eine professorale Alleinherrschaft vor - brauchen die Studierenden eine starke Stimme. Wenige studentische Vertreter_innen müssen in den Gremien und darüberhinaus versuchen, die Meinung vieler tausend Studierender zu artikulieren. Um also zu einem in der Breite tragbaren Ergebnis zu gelangen, muss ein Meinungsbildungsprozess innerhalb der Studierendenschaft vorausgegangen sein, der zur Hochschule gehört, wie die Studierenden selbst. Hierzu ist eine Organisierung der Studierenden notwendig, die über bloße Gruppenbildung hinausgeht.  
 
Die Frage, die wir uns aber stellen wollen, stellen müssen, ist diese: Welche Voraussetzungen müssen in der Universität geschaffen werden, um die Möglichkeit zur Hochschulreform zu schaffen? Wenn wir es ernst meinen, dass eine Reform studierendenzentriert sein soll, muss sie vor allem eines: von den Studierenden ausgehen. Die Studierenden müssen die Zeit und die Möglichkeit haben, ihren Studiengang und den Lebensraum Hochschule selbst zu gestalten. Studierendenzentrierung ist untrennbar verknüpft mit der Subjektfähigkeit unserer Studierenden. Dazu gehört nicht nur die eigentliche Selbstverständlichkeit, dass Studierende in ihrem Studium genug Raum und Zeit haben, sich mit Dingen zu befassen, die nicht dem fokussierten Rahmencurriculum entsprechen, sondern vor allem, dass sie die Möglichkeit und Anknüpfungspunkte haben, sich zu engagieren, in ihrer Umwelt kreativ und gestalterisch tätig zu werden. Auf der anderen Seite besteht die Hochschule nicht nur aus Studierenden. Insbesondere der akademische Mittelbau, wie auch die im Vergleich recht kleine Gruppe der Professor_innen, als auch die Mitarbeiter_innen aus Administration und Technik tragen zur Studien- und Forschungswirklichkeit bei. Ausdruck findet diese Tatsache in einer verkrüppelten Form der Gruppenhochschule, in denen die vier Statusgruppen versuchen, ihre Interessen auszugleichen - leider unter absoluter Mehrheit der kleinsten Statusgruppe. Im Wechselspiel dieses Interessenaustausches - denn letztlich liegt eine professorale Alleinherrschaft vor - brauchen die Studierenden eine starke Stimme. Wenige studentische Vertreter_innen müssen in den Gremien und darüberhinaus versuchen, die Meinung vieler tausend Studierender zu artikulieren. Um also zu einem in der Breite tragbaren Ergebnis zu gelangen, muss ein Meinungsbildungsprozess innerhalb der Studierendenschaft vorausgegangen sein, der zur Hochschule gehört, wie die Studierenden selbst. Hierzu ist eine Organisierung der Studierenden notwendig, die über bloße Gruppenbildung hinausgeht.  

Version vom 8. November 2010, 22:29 Uhr

Entwurf für den Input

Studierende im FOKUS der neuen Studiengänge? Anspruch, Wirklichkeit und Nachsteuerungsbedarf.

Schon der Titel dieses Workshops verrät, worum es gehen soll: Studierende im Fokus. Eine nette Umschreibung der im Bolognaprozess angestrebten Studierendenzentrierung, die etwas wichtiges verrät: Nicht stehen die Studierenden im Zentrum einer Reform, die an ihren Anforderungen ausgerichtet wird, sondern sie werden passiv in den Fokus genommen. Die BIldungsoffensive nimmt die Studierenden ins Fadenkreuz. Die Studierenden werden zu Objekten gemacht. Sie werden "betreut" wie minderjährige Schulkinder. In Heidelberg ist teilweise schon nicht einmal mehr die Rede von "Studierenden", sondern von "Hochschülern". An die Stelle der universitären Bildung tritt die Frage im Evaluationsfragebogen: "Denken sie, dass die im Studium vermittelten Inhalte einer guten AUSbildung entsprechen?" Es lassen sich zahlreiche Belege für diese These finden, von denen ich nur auf den angeprangerten Mangel an Wahlmöglichkeiten, das Bulimielernen, die überbordende Anwesenheitspflicht, ÜBERprüfungslast und Bürokratie verweisen möchte. Bedarf an Veränderung ist mit Sicherheit vorhanden. Keine Nachsteuerung wird nötig sein, sondern vielerorts eine völlige Neukonzeption. Jedoch wäre es müßig mit einer derart heterogenen Gruppe, wie wir sie hier versammelt finden, über dezidierte Maßnahmen in einzelnen Studiengängen zu diskutieren. Angehörige dreier Universitäten mit unterschiedlichsten fachlichen Hintergründen können in dieser Aufgabe nicht zusammenfinden.

Die Frage, die wir uns aber stellen wollen, stellen müssen, ist diese: Welche Voraussetzungen müssen in der Universität geschaffen werden, um die Möglichkeit zur Hochschulreform zu schaffen? Wenn wir es ernst meinen, dass eine Reform studierendenzentriert sein soll, muss sie vor allem eines: von den Studierenden ausgehen. Die Studierenden müssen die Zeit und die Möglichkeit haben, ihren Studiengang und den Lebensraum Hochschule selbst zu gestalten. Studierendenzentrierung ist untrennbar verknüpft mit der Subjektfähigkeit unserer Studierenden. Dazu gehört nicht nur die eigentliche Selbstverständlichkeit, dass Studierende in ihrem Studium genug Raum und Zeit haben, sich mit Dingen zu befassen, die nicht dem fokussierten Rahmencurriculum entsprechen, sondern vor allem, dass sie die Möglichkeit und Anknüpfungspunkte haben, sich zu engagieren, in ihrer Umwelt kreativ und gestalterisch tätig zu werden. Auf der anderen Seite besteht die Hochschule nicht nur aus Studierenden. Insbesondere der akademische Mittelbau, wie auch die im Vergleich recht kleine Gruppe der Professor_innen, als auch die Mitarbeiter_innen aus Administration und Technik tragen zur Studien- und Forschungswirklichkeit bei. Ausdruck findet diese Tatsache in einer verkrüppelten Form der Gruppenhochschule, in denen die vier Statusgruppen versuchen, ihre Interessen auszugleichen - leider unter absoluter Mehrheit der kleinsten Statusgruppe. Im Wechselspiel dieses Interessenaustausches - denn letztlich liegt eine professorale Alleinherrschaft vor - brauchen die Studierenden eine starke Stimme. Wenige studentische Vertreter_innen müssen in den Gremien und darüberhinaus versuchen, die Meinung vieler tausend Studierender zu artikulieren. Um also zu einem in der Breite tragbaren Ergebnis zu gelangen, muss ein Meinungsbildungsprozess innerhalb der Studierendenschaft vorausgegangen sein, der zur Hochschule gehört, wie die Studierenden selbst. Hierzu ist eine Organisierung der Studierenden notwendig, die über bloße Gruppenbildung hinausgeht.

Die Verfasste Studierendenschaft als Teilkörperschaft der Hochschule ist notwendig. Sie ist notwendig, um die Meinungsbildung und das zivilgesellschaftliche Engagement in der Studierendenschaft mit Mitteln zu unterstützen. Sie braucht eine Finanzautonomie, damit nicht die Hochschulleitung bestimmt, wo die Pressefreiheit aufhört, welche nationalen und internationalen Vernetzungstreffen förderungsfähig sind und welche Theatergruppe das schönere Stück spielt. Die Studierendenvertretung muss eine juristische Person sein, damit nicht unkalkulierbare Risiken an einzelnen Studierenden haften. Und vor allem: die Verfasste Studierendenschaft muss ein umfassendes politsches Mandat besitzen, um in Folge der Meinungsbildungsprozesse innerhalb der Studierendenschaft deren Stimme zu artikulieren und die Interessen der Studierenden zu vertreten.

Zum Abschluss eine wichtige Fußnote: Wenn wir im kommenden Jahr in Baden-Württemberg die Verfasste Studierendenschaft wieder einführen, dürfen wir nicht wiederum den Fehler machen, unsere Studierenden sofort zu entmündigen, indem wir ihnen ein bestimmtes Modell ihrer Studierendenvertretung aufzwingen. Die jahrzehntelange Unzulänglichkeit in der hochschulpolitischen Gesetzgebung hat vielfältige Lösungsansätze in den verschiedenen Hochschulen des Landes provoziert. Diese bewährten Modelle dürfen keinesfalls durch eine starre Landesvorgabe zunichte gemacht werden. Jedes dieser Modelle funktioniert in seiner Weise und Struktur. Wenn wir die verfasste Studierenschaft einführen, müssen wir uns an diese Modelle halten und jeder Hochschule die Möglichkeit geben, ihr bewährtes Modell fortzusetzen. Denn nur so können wir den Bedürfnissen und Gegebenheiten der unterschiedlichen Hochschulen gerecht werden.

Wir brauchen eine Verfasste Studierendenschaft mit Satzungsautonomie, mit Finanzautonomie und mit einem allgemeinpolitischen Mandat.